Pastorin Gesa Junglas wird am 28. September um 15 Uhr in St. Nicolai Diepholz in den Ruhestand verabschiedet / Schwerpunkt Notfall- und Krankenhausseelsorge
Ein Leben ohne das unberechenbare Notfallhandy, das jederzeit klingeln und zum Einsatz rufen kann. Ohne berufliche Termine. Ohne die ständige Erreichbarkeit. Ohne den eigenen Anspruch, von jetzt auf gleich in eine unerwartete, aufgewühlte Situation springen zu müssen, um anderen Menschen Orientierung, Trost und Sicherheit zu vermitteln – das kann sich Gesa Junglas noch gar nicht vorstellen. „Ein bisschen unheimlich ist mir das schon“, sagt sie. „Ich arbeite ja gerne, und ich bin dankbar, einen Beruf zu haben, der mich so erfüllt hat. Aber natürlich habe ich in den letzten Monaten schon ab und zu gemerkt, dass es mir schwerer fällt, heftige Schicksale, mit denen ich oft zu tun habe, wegzustecken. Deshalb ist es gut für mich, nun einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.“
Am Sonntag, 28. September, wird Gesa Junglas um 15 Uhr in der St.-Nicolai-Kirche in Diepholz in den Ruhestand verabschiedet. Der Gottesdienst ist öffentlich, jede*r ist herzlich eingeladen.
Mehr als drei Jahrzehnte lang war sie Pastorin. Die längste Zeit davon im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz. Geboren in Hamburg, Studium in Hamburg und Tübingen, Vikariat in Hannoversch Münden, erste Pfarrstelle in Jork, dann Buxtehude. Mit Ehemann Peter und den beiden Kindern ging es schließlich nach Diepholz – zuerst in die Konfirmandenarbeit der Lebenshilfe. Nach kurzer Zeit bildete sie sich zu den Schwerpunkten Krankenhaus- und Notfallseelsorge weiter und übernahm eine Aufgabe, die sie 20 Jahre lang bis heute mit viel Einfühlungsvermögen und Engagement verfolgte. Nicht nur im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz, sondern auch im Sprengel ist Gesa Junglas die Beauftragte für das Arbeitsfeld der Notfallseelsorge und war damit auch im Leitungsteam der Landeskirche.
„Dieses Gebiet ist genau mein Ding. Ich hatte im Studium Psychologie als Nebenfach. Es hätte mich auch gereizt, als Psychologin in Beratungsstellen zu arbeiten. Aber den Beruf der Pastorin empfand ich dann als vielseitiger: Man hat nicht nur mit Problemen und Krisen der Menschen zu tun, sondern feiert auch gemeinsam das Leben“, erzählt die 64-Jährige. „Als Krankenhaus- und Notfallseelsorgerin konnte ich Theologie und Psychologie verbinden. Damit hatte ich meine besondere Berufung gefunden.“
Das ist sofort spürbar, wenn Gesa Junglas von ihrer Arbeit spricht: Wenn sie an Krankenbetten saß oder in Trauerhäusern stand und es gelang, verzweifelten Menschen zu vermitteln: „Du bist nicht allein. Gott sieht Dich in Deinem Elend.“ Wenn sie Trauernde trösten, an Kranke und Verzweifelte „Segen verteilen durfte wie Blumensträuße“, wie sie es sehr schön ausdrückt. Solche Momente waren es, in denen sie wusste: Das war genau die richtige Berufswahl.
Schwere Momente gab es natürlich genug: Todesnachrichten zu überbringen, die Einsätze, bei denen sich Jugendliche das Leben genommen hatten. Und auch Phasen, in denen sie mit ihrer Kirche haderte: „Als es um den Umgang mit Missbrauchsfällen ging – das hat mich sehr beschäftigt. Ich habe mich gemeinsam mit anderen leidenschaftlich für Aufarbeitung und Transparenz eingesetzt. Es ist wichtig, dass die jüngeren Kolleg*innen damit weitermachen.“
Für die letzte Etappe ihres Berufswegs war auch wieder ein hohes Maß an Flexibilität gefragt: Als „Springerin“ übernahm sie Vertretungen in vakanten Gemeinden, zuletzt in Sulingen. „Schon als Krankenhausseelsorgerin habe ich viele Gottesdienste in der Region gestaltet, sodass mir eigentlich alle Gemeinden vertraut sind.“
Viele Freundschaften sind in all den Jahren entstanden, die sie pflegen möchte. Die Wege werden allerdings etwas weiter. Nach der Verabschiedung zieht es das Ehepaar Junglas zurück nach Hamburg und freut sich auf Oper, Ballett, Elbphilharmonie, Theater, Ausstellungen – und alte Freunde und Familie, die dort warten. Ganz ohne ihr Herzensanliegen, Seelsorge anzubieten, will die 64-Jährige aber nicht bleiben. „Ich möchte mich auch dort sozial engagieren, die Gemeinde kennenlernen, Gottesdienste vertreten. Mal sehen, was kommt.“
Dass sie die Notfallseelsorge im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz und im Sprengel Osnabrück in gute Hände weitergeben konnte, war ihr wichtig: „Ich bin sehr froh darüber, dass Jörg Brand, Diakon aus Barnstorf, die Notfallseelsorgebeauftragung für den Kirchenkreis übernommen hat. Auch für den Sprengel gibt es einen Nachfolger. Mit beiden wird es kompetent und kontinuierlich weitergehen. Das liegt mir ganz besonders am Herzen. Denn meiner Auffassung nach ist es Kern unseres christlichen Auftrags, für Menschen in seelischer Not da zu sein.“
Diesen Auftrag habe sie umfassend und in vielfältiger Weise erfüllt, dankt ihr Friedrich Selter, Regionalbischof des Sprengels. „Ich habe Gesa Junglas als eine hochengagierte Kollegin kennengelernt, die sich auch nicht scheute, kritische Dinge markant anzusprechen. Für ihre Klarheit in wesentlichen Fragen des kirchlichen Lebens aber auch in der seelsorgerlichen Zuwendung zu den Menschen bin ich ihr sehr dankbar.“
Miriam Unger