Mein Lieblingslied - 500 Jahre Evangelisches Gesangbuch

Nachricht 01. Mai 2024

Jubiläum für Glaubensmelodien – Vor 500 Jahren entstand das erste Liederbuch

"...ist das nicht ein kleinwenig langweilig?" Diese Reaktion auf das Thema "500 Jahre Evangelisches Gesangbuch" hat Johann Hinrich Claussen in seinem Beitrag "Einfach singen" vom 24.3. in "Glaubenssachen" sportlich genommen und widerlegt (s. link). Die Reformation war auch eine Singebewegung, Lieder hatten eine größere Reichweite, Liedtexte konnte man auswendig lernen und mitsingen, sogar, ohne lesen zu können. Kurzum: es ist keineswegs langweilig, in die Geschichte dieses Gesangbuches ein wenig einzusteigen, sich über Konkurrenzen, Wettbewerb und Vereinnahmungstendenzen zu informieren und darüber, warum welche Lieder bis heute im EG stehen.

Mein Lieblingslied ....

Und natürlich gibt es Lieblingslieder aus dem EG  - weil Melodie, Verstexte und Erinnerungen besondere Gedanken oder Gefühle bei uns auslösen. Deshalb haben wir im Sprengel die Ehrenamtlichen im Verkündigungsdienst nach ihren Lieblingsliedern befragt. Über die nächsten Wochen stellen wir hier die Beiträge der Lektor*innen und Prädikant*innen vor.

Auf unserem Instgram-Account @evangelisch.aufdenpunkt könnt ihr sie ab 2.4. Woche für Woche verfolgen.

Und jetzt ein ganz kurzer historischer Exkurs zum EG
Zwischen dem Vorläufer des heutigen Evangelischen Gesangbuches (EG)  und dem kleinen Liederheftchen von 1524 liegen mehr als 7000  verschiedene Ausgaben deutschsprachiger Gesangbücher. Das wiederum liegt an der regionalen und religiösen Vielfalt eines halben Jahrtausends. Erst im 19. Jahrhundert gab es eine sog. Kernliste mit 150 Liedern, auf die sich 1854 die Konferenz der evangelischen Kirchenleitungen einigen konnte -  unter diesen 150 ausgewählten Liedern waren viele von Martin Luther und Paul Gerhardt, die wir bis heute im EG finden (z.B. „Dies ist der Tag, den Gott gemacht“, oder „Gelobet seist du Jesu Christ“).
Eine aktive Liturgie- und Singbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts brachte weitere neue Liederbücher hervor. In der Zeit des Nationalsozialismus gab es unter den Deutschen Christen immer wieder Versuche, ihre ideologischen Inhalte in ein eigenes Kirchengesangbuch hineinzuschreiben und Texte zu verändern.
1950, nach dem 2. Weltkrieg, gelang es der Evangelischen Kirche in Deutschland erstmals, ein Einheitsgesangbuch mit unterschiedlichen Regionalanhängen zusammenzustellen. Das uns heute vertraute EG integriert neue Musikbewegungen der 60er Jahre, Lieder aus dem katholischen Gotteslob von 1975 (ebenfalls ein Einheitsgesangbuch) und ist so auch ein Zeugnis der sich entwickelnden Ökumene und des theologischen Austausches. Es wurde zwischen 1993-1996 in allen Evangelischen Landeskirchen in Deutschland und zum Teil in den deutschsprachigen Gemeinden im europäischen Ausland eingeführt. Und es wird wohl nicht die letzte Edition gewesen sein. In der Katholischen Kirche wurde 2013 das neue Gotteslob eingeführt – Diskussionen um das EG gibt es auch auf evangelischer Seite.

Die Landeskirche Hannovers jedenfalls hat den 500. Geburtstag des Evangelischen Gesangbuches zum Anlass genommen, ihre rd. 140 hauptberuflichen Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker zu bitten, für jeden Sonntag das alte Wochenlied neu mit Chören und Ensembles aus ihren Gemeinden einzuspielen. Sie betont mit dieser Aktion - angesichts vieler neuer Formen von Gottesdiensten und entsprechender Musikformate – auch eine Tradition und stellt die Wochenlieder auf einer Playlist auf Youtube zur Verfügung. Diese füllt sich so Woche für Woche bis hinein in den November 2025. Auch Ensembles aus den Kirchenkreisen des Sprengels Osnabrück sind dabei.  
Playlist zum Wochenlied auf YouTube

(Brigitte Neuhaus)

Sammlung der Lieblingslieder

"In dem Lied geht es um Gottes Gegenwart in uns, also der Gott, der nicht fern im Himmel ist, sondern auch in unserem Herzen ist. Um das wahrzunehmen, braucht es Stille, das in-sich-Hineinhorchen, das Spüren...
Es geht in dem Lied um die Verbindung von Aktivität und Passivität im christlichen Glauben:
Ich öffne mich, ""ich senk mich in dich hinunter"", ich halte stille und lasse Gott wirken. Ich lasse mich beschenken von Gottes Gnade, ich lasse Gott in mir wirken. Dabei gefällt mir das Bild von der Blume, die sich einfach dem Licht hinhält und sich im Licht entfaltet besonders schön. Bei dem Lied denke ich an meine regelmäßigen Einkehrzeiten im Kloster, die ich schweigend verbringe. Dieses Stillhalten und Gott wirken lassen kommt in unserer rastlosen Zeit und Selbstoptimierung auch in unseren Kirchen oft zu kurz."

Ortrud Kaluza (63), seit 12 Jahren Lektorin im Kirchenkreis Diepholz

Alle drei Verse sind wunderbar, Dank überschwenglich.. so beginnt der Gottesdienst wunderbar!! Dazu die Melodie, das Lied "Morning has broken" gesungen von Cat Stevens habe ich auch schon mal vorweg einspielen lassen.

Hildegard Holtorf (75), seit 30 Jahren Lektorin im Kirchenkreis Syke-Hoya

Ich liebe das Lied EG 266 „Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen.“ Es zeigt mir die allumfassende Wirkmächtigkeit Gottes und seiner Gemeinde. Immer steht ein Gebet vor Gott und auch wenn bei uns die Sonne untergeht, so bringt sie drüben den Menschen das Licht…
Erstens gefällt mir die Melodie und zweitens der wunderschöne Text. Er lenkt meine Gedanken von mir weg, hin zu meinen Geschwistern nach Übersee.

Michael Möllenkamp (68), Prädikant im KK Melle/GMHütte

Im ersten Vers liegt für mich ganz viel Trost: Gott, mein Licht und meine Freiheit(ganz wichtig für mich): Gott, die Burg- der feste Standort zu dem ich immer wieder zurückkommen kann und Schutz und Halt finde.
Gott, dessen Hände das Land - Kosmos - bedecken: ich bin Teil davon, und kann letztendlich nicht tiefer fallen, als in seine Hände.
Der zweite Vers drückt für mich die Sehnsucht und die Möglichkeit einer ganz persönlichen Gottesbeziehung aus,  den Wunsch mein "Gotteslied" zu finden und zu singen. Im dritten Vers wird die Sehnsucht Gott von Angesicht zu schauen, ihn noch mehr kennenzulernen, intensiver und  dringlicher. Besonders in diesen Zeiten, wo soviel Vertrautes und Gewißheiten verloren gehen, die Hoffnung auf ein gutes Leben  zu  verkümmern droht, wird mir dies Lied immer wichtiger - wird mir zu einer Burg.

Christa Funck, (72), Lektorin im KK Grafschaft Diepholz

Die Osterbotschaft wird mit dieser beschwingten Melodie im dreier Rhythmus auf wunderbare Art ausgedrückt. Ich freue mich darüber, dass dieses Lied häufig in der Gemeinde gesungen wird - besonders schön auch mit Chor.

Elisabeth Geppert, (62), Hauptamtliche Kantorin seit 30 Jahren im KK Syke- Hoya

Ich mag dieses Lied sehr, da es ein bisschen mein Leben beschreibt: Nach der Konfirmation habe ich mich auf den Weg gemacht, Kindern die Liebe Gottes zu zeigen. Ich habe Kindergottesdienste gestaltet und organisiere noch heute die Krippenspiele zu Heiligabend mit einer Schar von meist mehr als 25 Kindern. Ich vertraue darauf, dass Gott mir bei Entscheidungen den richtigen Weg zeigt und meine Gedanken leitet.
Gott hat mich dahin geleitet, wo er mich braucht: Seit bald 24 Jahre arbeite ich aktiv im Kirchenvorstand mit und habe in dieser Zeit festgestellt, dass ich ein Segen für die Gemeinde sein kann. Ich bin sehr aktiv bei der Gottesdienstgestaltung und probiere auch andere Formen und Orte mit aus. Deshalb habe ich mich entschlossen, die Lektorenausbildung zu machen.
Ich vertraue dem Weg, auf den Gott mich gesetzt hat. Auch wenn ich meinen Geburtsort Neuenkirchen nie wirklich verlassen habe, habe ich einiges von der Welt sehen dürfen. Ich habe aber in unserer Kirche eine Heimat gefunden, die ich nicht aufgeben möchte. Nach einer Reise den Kirchturm zu sehen, erdet mich und macht mich glücklich. Dieses Gefühl gibt mir auch das Lied, wenn wir es im Gottesdienst singen.

Marina Huning (45), Prädikantin im KK Melle/GMHütte

In der Grundschule lernte ich es auswendig und bekam ein Fleißkärtchen mit Glitzer für alle 12 Strophen, die ich mir größtenteils noch heute aufsagen kann, wenn ich wachliege. Da hilft die feste Reimstruktur und der Merkvers aus Ps. 37: Befiehl dem Herrn dein‘ Weg und hoff auf ihn, er wird’s wohl machen. Aktuell, in meiner Ohnmacht ob der politischen Situation, tröstet mich besonders der Vers 7: Bist du doch nicht Regente, der alles führen soll, Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl. Früher half mir eher die Ermunterung zum Gebet, Vers 2: Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein lässt Gott sich gar nichts nehmen, es muss erbeten sein. Es hat mich auch gelehrt, dass Leiden zum Leben dazugehört. Dieses Lied habe ich gern an Sterbebetten gesungen bei der Pflege, wenn mir die Worte fehlten.  Dies schreibe ich im Februar 24, im Frühling übernehmen wieder die fröhlichen und jahreszeitlichen Lieder meine persönliche Hitparade.
Am EG hätte ich mir gewünscht, die neue Rechtschreibung wiederzufinden – so lesen wir in der Kirche immer noch "daß", während wir bald 30 Jahre lang "dass" schreiben.

Susanne Genth (66), Lektorin im KK Syke-Hoya