"Wir brauchen Wissen, um zu gedenken."

Nachricht 28. Februar 2022

Wir erleben historische Tage mit schrecklichen Ereignissen mitten in Europa. Wie passend, dass in Osnabrück am Donnerstag hochrangige Vertreter*innen von Gedenkstätten über "Zukunft der Erinnerung" und den Nazi-Terror diskutierten.

Gudrun Blohberger, die pädagogische Leiterin der Gedenkstätte Mauthausen in Österreich, berichtete über ein Sanitätslager, in dem Menschen nicht gepflegt werden, sondern ihren Tod "erwarten". Und direkt daneben, nur durch Stacheldraht abgetrennt, gab es einen Fußballplatz. Dort trugen die NS-Wachmannschaften ihre Spiele aus - und die Bevölkerung aus der Umgebung kam und jubelte und feuerte an. Blohberger stellte in der Diskussion die Frage: "Wie konnten NS-Verbrechen zur tiefen Normalität in der Gesellschaft werden?" Wie alle Diskutanten betonte sie, dass es immer weniger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gibt.

Dr. Elke Gryglewski, die Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen, sprach über den Zusammenhang zwischen Gedenken und Wissensvermittlung. Der sei ganz schlicht, sagte sie: "Wir brauchen das Wissen, um gedenken zu können."

Für den katholischen Stadtdechant von Osnabrück, Dr. Martin Schomaker, ist beim Thema Gedenken "die Begegnung durch nichts zu ersetzen". Und Friedrich Selter, Regionalbischof im Sprengel Osnabrück, betonte: "Die Erinnerungskultur lehrt uns, dass das Unvorstellbare plötzlich schreckliche Realität sein kann." Das sei genau die Erfahrung, die die Welt beim russischen Angriff auf die Ukraine mache: "Der Mensch hat sich nicht grundlegend verändert. Verführbarkeit und Abgründe stecken auch heute in einem Menschen." Deshalb sei die Auseinandersetzung mit der Geschichte so entscheidend.

Anfang März wird die bundesweite "Woche der Brüderlichkeit" zentral in Osnabrück eröffnet - und damit auch die Ausstellung „M 48° 15‘ 24.13“ N, 14° 30‘ 6.31“ E Mauthausen – Die Tilgung von Erinnerung“ des österreichischen Künstlers Marko Zink. Unterstützer der Ausstellung sind unter anderem die Hanns-Lilje-Stiftung, die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und die Evangelischen Stiftungen Osnabrück.

(Text: Brigitte Neuhaus / Themenraum)